Brennweite und Perspektive zur Foto-Gestaltung nutzen

Wenn ihr bewusst verscheidene Brennweiten verwendet, könnt ihr auch die Perspektive des Fotos verändern.
Die Perspektive wiederum ist eine der wichtigsten Gestaltungsmittel.
Deshalb lernt ihr in diesem Artikel, wie das alles zusammenhängt.

Um diesen Artikel fertig zu stellen muss ich noch ein paar Beispielfotos machen.
Wer ihn aber trotzdem lesen möchte, kann das tun – aber beschwert euch nicht über die fehlenden Fotos ;)

 

Kurzzusammenfassung / Inhalt

  • Manche Situationen zwingen uns zu einer bestimmten Brennweite
  • Kombination aus Entfernung und Brennweite lässt uns bewusst gestalten
  • Nicht die Brennweite führt zur Perspektivänderung, sondern die Abstandsänderung
  • Weitwinkel, also kurzer Motivabstand, zeigt mehr Hintergrund, verändert stark die Größenverhältnisse und die Abstandswirkung
  • Beim Tele-Objektiv und großem Motivabstand wird weniger Hintergrund sichtbar, die Größenverhältnisse gleichen sich an und die Objekte wirken näher beieinander
  • Durch bewussten Einsatz der Brennweite könnt ihr so bestimmte Effekte bei Portraitfotos erzielen
  • häufige Einsatzgebiete:
    • Portraitfotografe: leichtes Tele-Objektiv, 50 – 85 mm
    • Sportfotografie: Tele-Objektiv, 200 – 800 mm
    • Tierfotografie: Tele-Objektiv, 200 – 800 mm
    • Landschaftsfotografie: Weitwinkel, 12 – 40 mm
    • Architekturfotografie: Weitwinkel, 12 – 40 mm
      Reportage-Fotografie: leichtes Weitwinkel, 35 mm
  • der typische Lernprozess: Weitwinkel -> Tele -> Weitwinkel
  • Übung zur Gestaltung mit Brennweiten

 

Wenn wir uns die Brennweite nicht aussuchen dürfen

Aus dem letzten Artikel wisst ihr, dass ihr in manchen Situationen eine Brennweite verwenden müsst, weil es nicht anders geht.

  • Manchmal kommen wir einfach nicht näher an etwas heran (z.B. fliegender Vogel), also müssen wir eine lange Brennweite wählen.
  • Und manchmal kommen wir nicht weiter weg (z.B. in einem kleinen Raum), also müssen wir ein Weitwinkel nutzen.
Fashion Foto mit 35 mm Objektiv

Für dieses Foto konnte ich nicht weiter zurück – hinter mir war eine Wand. Deshalb musste ich mit 35 mm etwas weitwinkliger fotografieren, als ich es eigentlich getan hätte.

 

Der Standpunkt ändert die Perspektive

Meistens haben wir jedoch auch die Möglichkeit unseren Standpunkt zu ändern.
Wir haben also die freie Wahl:

  • gehen wir näher ran und nutzen dafür eine kürzere Brennweite?
  • oder lieber ein Stückchen weiter weg und dafür mehr Tele?

Wenn ihr jetzt denkt „ist doch egal“, liegt ihr zum Glück falsch ;)
Denn anhand dieser unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten aus Entfernung und Brennweite könnt ihr die Bilder komplett unterschiedlich gestalten.
Obwohl das selbe Hauptmotiv abgebildet wird, sieht ein Foto mit Weitwinkel aus kurzer Distanz völlig anders aus als ein Bild mit großer Distanz und langer Brennweite.
Glaubt ihr nicht? Hier ein Beispiel.

Info Hier kommt demnächst noch ein Beispielfoto hin :)

Und hier seht ihr noch einmal eine Skizze, wie die Fotos in etwa aufgenommen wurden:

Info Die Skizze kommt demnächst auch noch :)

Wie ihr in der Skizze erkennen könnt, haben wir den Abstand zum Model geändert.
Das ist natürlich notwendig, damit sie sowohl beim Weitwinkel-Foto, als auch dem Bild mit Tele-Objektiv, gleich groß abgebildet wird.

Abstandsänderung ist wichtig!
Es ist die Abstands-Änderung, die unsere Fotos unterschiedlich aussehen lässt.
Alle nun folgenden Unterschiede zwischen den beiden Fotos könnt ihr nicht auf die Änderung der Brennweite zurückführen, sondern nur darauf, dass ich bei dem einen Foto weiter entfernt vom Model stand, als bei dem anderen.
Die Brennweite haben wir nur geändert, damit das Model gleich viel Platz im Bild einnimmt.
Einen weiterführenden Artikel dazu habe ich hier: Artikel Zoom vs. Standortänderung

Ich werde im folgenden trotzdem davon reden, dass die Effekte durch lange und kurze Brennweite entstehen – sonst werden die Sätze zu wirr ;)

 

Gestalterische Unterschiede zwischen Weitwinkel und Tele Objektiv

So, nun lasst uns einmal analysieren, was an den beiden Fotos unterschiedlich ist.

 

1. Weitwinkel zeigt mehr Hintergrund

Bei 35 mm ist viel mehr vom Hintergrund zu sehen, als bei 200 mm. Ich denke, die Skizze erklärt durch die Bildwinkel recht gut, woran das liegt.

 

2. Teleobjektiv vergrößert den Hintergrund

Daraus folgt auch, wenn ihr eine kurze Brennweite verwendet: alles was im Hintergrund zu sehen ist, wirkt im Verhältnis zum Hauptmotiv viel kleiner.

Auch wenn ihr den Abstand zu eurem Motiv vergrößert und dafür ein Teleobjektiv verwendet, sehen die Objektive im Hintergrund verhältnismäßig weiterhin kleiner aus als das Hauptmotiv.
Jedoch nähern sie sich in ihren Größenverhältnissen immer mehr an, je länger die Brennweite wird. Hier eine kurze Bildserie, damit ihr mir auch glaubt:

Info Auch diese Bildserie fehlt noch :)

 

3. Weitwinkel lässt Abstände größer erscheinen

In der letzten Bildreihe könnt ihr auch schön erkennen, dass die Objekte bei der Weitwinkel-Aufnahme viel weiter auseinander stehen zu scheinen, als bei der langen Brennweite.

Diese Regeln gelten natürlich auch innerhalb eines Objektes.

Info Beispielbild folgt bald
Teile des Models die weiter von der Kamera entfernt sind, wirken im Verhältnis zum Kopf viel kleiner als es natürlich wäre. Außerdem wirkt der Körper sehr lang.

Lange Beine
Diese Längen-Dehnung könnt ihr gut verwenden, wenn ihr die Beine eines Models länger wirken lassen wollt. Dafür fotografiert ihr etwas mehr von unten. Dadurch seid ihr näher an den Beinen als am Rest des Körpers. Je näher ihr nun heran geht und weitwinkliger fotografiert, um so mehr strecken sich die Beine auf dem Foto.

Info Beispielbild folgt bald

Im Bild mit der langen Brennweite wirken die Größenverhältnisse zwischen den Körperteilen normal. Dafür wird der Körper mehr gestaucht, da alles Körperteile so wirken als wären sie näher am Kopf.

Füllige Menschenmassen
Ein Tele-Objektiv könnt ihr gut nutzen, wenn ihr Menschenmassen noch voller wirken lassen wollt. Bei einem Weitwinkel wirken die Lücken zwischen Menschen oft recht groß, wenn diese nicht ganz nah beieinander stehen. Nutzt ihr eine lange Brennweite, verschwinden diese Lücken.

Das gilt übrigens auch innerhalb des Kopfes selbst. Fotografiert ihr mit kurzer Brennweite ein nahes Portrait, so sind die nahen Bereiche, vor allem die Nase, verhältnismäßig sehr groß. Der Kopf scheint sich nach hinten zu dehnen. Insgesamt wirken die Proportionen sehr unnormal.

Wo wir gerade bei Köpfen und Weitwinkel sind: eine weitere Sache auf die ihr bei kurzen Brennweiten achten solltet, ist die perspektivische Verzerrung von Objekten am Bildrand. Hier nehmen zum Beispiel Köpfe am Bildrand eine sehr merkwürdige Form an.

Info Beispielbild folgt bald

Deswegen solltet ihr beispielsweise bei Gruppenfotos darauf achten, dass ihr nicht zu nah mit eurem Weitwinkel-Objektiv heran geht.

 

Tiefenschärfe mit Tele-Objektiv

Euch ist sicherlich auch aufgefallen, dass der Hintergrund beim Foto mit Tele-Objektiv viel unschärfer aussieht, als bei der kurzen Brennweite. Das macht sich bei Portraits immer sehr gut, da die Person sich so schön vom Hintergrund abhebt. Deswegen könnt ihr euch prinzipiell merken: möchtet ihr den Hintergrund unschärfer, nutzt eine längere Brennweite. Dazu werde ich bald auch noch einen extra Artikel schreiben.
Diese Eigenschaft hängt übrigens tatsächlich von der Brennweite selbst ab und nicht vom Abstand zum Model. Das heißt allerdings nicht, dass der Abstand dabei keinen Einfluss hat ;)

 

Typische Brennweiten in verschiedenen Bereichen der Fotografie

Jetzt denkt ihr sicherlich: „Verrat uns doch endlich, welche Brennweite wir wann nutzen sollen!“.
Aber bestimmt könnt ihr euch auch denken, dass es da kein Richtig oder Falsch gibt. Letztendlich müsst ihr entscheiden, wie euer Foto aussehen soll. Anhand der Unterschiede die ich euch erläutert habe, könnt ihr dann bewusst eine Brennweite auswählen.

Allerdings möchte ich euch natürlich Tipps geben, welche Brennweiten in welchen Aufnahmebereichen oft Verwendung finden.

 

Portraitfotografie

Hier kommen meist leichte Tele-Objektive, wie z.b. das 85mm zum Einsatz. Ich denke die Beispielfotos vom Weitwinkel-Gesicht haben euch ausreichend gezeigt, warum das so ist ;)
Auch noch längere Brennweiten sind möglich, jedoch ist die Kommunikation mit dem Model schwerer, je weiter ihr entfernt seid. Außerdem sieht man die Distanz dem Foto auch an. Deswegen könnt ihr etwas emotionalere Portraits auch gut mit einem 50mm Objektiv fotografieren.
Sehr beliebt ist das 50 mm 1:1,8, da es sehr günstig und lichtstark ist. Mit diesem lässt sich ein schön unscharfer Hintergrund erzeugen, obwohl es keine sehr lange Brennweite hat.

 

Sportfotografie

Je nach Sportart kommen hier meistens sehr lange Brennweiten zum Einsatz. Das liegt daran, dass man oft eine große Distanz vom Spielfeldrand zu den Spielern hat. 400 – 800 mm sind hier keine Seltenheit. Beim Hallensport sind die Brennweiten meist ein bisschen kürzer.

 

Tierfotografie

Wie bei der Sportfotografie habt ihr oft große Distanzen zu den Tieren. Das liegt daran, dass diese meist die Flucht ergreifen, wenn ihr euch nähert. Also auch hier: lange Brennweiten.

Telekonverter
Objektive mit sehr langer Brennweite sind auch sehr teuer. Wenn ihr trotzdem gerne eine längere Brennweite hättet, kann sich die Anschaffung eines Telekonverters lohnen.
Dieser verlängert die Brennweite eures Objektivs. Allerdings nimmt durch seinen Einsatz auch die Bildqualität ein kleines Stückchen ab und das Objektiv verliert etwas an Lichtstärke. Ihr solltet ihn nur mit etwas höherwertigen Objektiven einsetzen.

Landschaftsfotografie

Möchtet ihr Landschaften fotografieren, werdet ihr meist eher weitwinkligere Objektive verwenden. So könnt ihr schön eine große weite Landschaft zeigen, aber trotzdem noch Objekte und Details im Vordergrund mit einbeziehen.

 

Architekturfotografie

Hier wünscht man sich meist immer noch mehr Weitwinkel als man hat ;)
Ihr habt oft große Gebäude und kommt nicht sehr weit davon weg. Außerdem könnt ihr hier mit einer kurzen Brennweite bewusst die Größenverhältnisse ändern, so dass das Gebäude noch mächtiger wirkt (ähnlich wie beim Tip mit den langen Model-Beinen).
Innenräume zwingen euch meistens auch zu kurzen Brennweiten.

Tilt-/Shift-Objektive
In der Architekturfotografie werden häufig so genannte Tilt-/Shift-Objektive verwendet um stürzende Linien zu vermeiden. Ein Artikel dazu folgt bald.

Reportagefotografie

In der Reportagefotografie möchte man dem Betrachter das Gefühl vermitteln mit im Geschehen zu sein. Das geht am besten, indem man auch nah rangeht. Die klassische Reportage-Brennweite sind 35 mm. Natürlich kommt man auch hier nicht immer so nah ran, wie man möchte, ohne das Geschehen zu stören. Deshalb werdet ihr ab und zu auf eine längere Brennweite zurückgreifen müssen.

 

 

Der Brennweiten-Lernprozess

Meistens fotografiert man unbewusst am Anfang des Lernprozesses immer etwas weitwinkliger. Das liegt auch häufig daran, dass man „ausversehen“ viel mehr Freiraum auf dem Bild lässt, als gut ist.
Relativ bald entwickeln sich die meisten dann aber dahin, dass sie eine lange Brennweite bevorzugen. Damit ist es relativ unkompliziert den Fotos einen professionellen Look zu geben, da das Hauptmotiv sich stark vom Hintergrund abheben kann. Auch eine hässliche Umgebung kann so ausgeblendet werden. Mir ging es selbst lange so, dass ich automatisch immer zu einem Tele-Objektiv gegriffen habe, wenn es das Motiv zuließ.
Mittlerweile hat sich das jedoch bei mir wieder gewandelt. Die Fotos aus der Entfernung wirken mir jetzt oft zu distanziert und künstlich. Deshalb zwinge ich mich in letzter Zeit immer mehr und mehr auch weitwinkligere Objektive zu verwenden. Das fühlt sich oft ungewohnt an, da man teilweise sehr nah an das Motiv heran muss, aber die Resultate gefallen mir sehr gut. Allerdings ist es hierbei sehr wichtig, dass die ganze Umgebung ein gutes Bild abgibt.

Übung zur Gestaltung mit verschiedenen Brennweiten

  1. Sucht euch ein Motiv, das ihr sowohl mit 18 mm, als auch 200 mm fotografieren könnt. Ihr benötigt also genügend Abstand, um auch ein paar Schritte zurück zu gehen. Am besten ist ein Motiv mit Vorder- und Hintergrund.
  2. Fotografiert das Motiv nun mit mehreren Brennweiten von 18 mm bis 200 mm. Ändert dazu immer dementsprechend eure Entfernung, so dass das Hauptmotiv immer etwa gleich groß auf den Fotos abgebildet wird.
  3. Betrachtet eure Fotos im Nachhinein. Welches gefällt euch am besten?
  4. Denkt ab jetzt vor jedem Foto bewusst darüber nach, welche Brennweite ihr verwenden wollt um einen bestimmten Effekt zu erreichen.

 

Wie immer gilt: wenn ihr Fragen oder Anmerkungen zum Thema habt, könnt ihr gern einen Kommentar hinterlassen :)

Das Schreiben dieses Artikels hat mir besonders viel Spaß gemacht. Ich war heute gut im Schreibfluss :)
Außerdem achte ich in letzter Zeit noch verstärkter auf den bewussten Einsatz der Brennweite, da sich damit so viel erreichen lässt. Deshalb war es mir auch so wichtig, euch die verschiedenen Brennweiten näher zu bringen und zu erläutern, wie ihr mit Weitwinkel und Tele-Objektiv bewusst gestalten könnt und neue Perspektiven in eure Fotos bekommt.

Liebe Grüße
Stefan

Nächster Einsteiger-Artikel: 4. Belichtung und Histogramm


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4 Kommentare

Ruedi

Super Berichte, Gratulation! Auf welche Kamera beziehen sich die angegebenen Brennweiten? Danke.

Stefan Berger

Hallo Ruedi,
dankeschön :)
Ich beziehe mich in dem Artikel auf Vollformat-Kameras.
Bei APS-C-Kameras die Angaben einfach mit ca. 1,5 multiplizieren (50 mm hat also an der APS-C-Kamera ca. den Bildwinkel von 75 mm am Vollformat) und bei Micro-Four-Thirds mit 2 multiplizieren (50 mm wirken an MFT vom Bildwinkel wie 100 mm am Vollformat).
Liebe Grüße
Stefan

Tanja

Hallo Stefan!
Ich inhaliere gerade deine Artikel und bin begeistert!
Wann kommen die erwähnten Beispielfotos?
VG,
Tanja

Stefan Berger

Hallo Tanja,

danke fürs Lob :)
Das mit den Fotos für den Artikel hab ich etwas vernachlässigt, muss ich zugeben. Ich hoffe, ich komme diesen Sommer dazu :)

Liebe Grüße
Stefan



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